Die Würde des Menschen ist unantastbar, so steht es im deutschen Grundgesetz, das gilt auch für Strafgefangene in deutschen Gefängnissen.
Kalter Schweiß auf meiner Stirn, krampfartige Schmerzen wühlen in meinen Därmen. Ich muss zur Toilette! Tausend Gedanken in meinem Kopf, zwei Darmverschlüsse, genannt Ileus, habe ich überlebt, ist schon 32 Jahre her. Aber den Schmerz habe ich bis heute nicht vergessen. Verdammt, ich sollte meinen Darm entleeren! Bei dem Bewegungsmangel hier im Knast muss ich eigentlich froh sein, dass es halbwegs funktioniert. Eigentlich! Aber ich bin mit einer Frau zusammen eingesperrt, die ich noch gar nicht kenne. Auf ca. acht Quadratmetern. Nein, die Toilette ist nicht separat, nicht einmal abgetrennt. Und sie steht genau an der Zellentür links. Erst kommt das Waschbecken, dann die Toilette. Nicht mal die Schamwand kann ich vor die Zellentür schieben - zu wenig Platz! Was passiert, wenn - wie so oft - die Tür aufgeschlossen wird und ein Beamter auf der Schwelle steht? Oh Gott, gar nicht darüber nachdenken. Ich krümme mich vor Schmerz! Das Unvermeidliche, es lässt sich nicht aufschieben! Um Himmels Willen, was wird die Frau denken? Sie ist gezwungen, meiner Darmentleerung beizuwohnen, mit allen Konsequenzen. Sie entspricht meiner Bitte, den Fernseher etwas lauter zu drehen. So kann die Geräuschkulisse etwas gemildert werden. Was aber ist mit der Geruchskulisse? Ist einfach nicht zu vermeiden. Der Schmerz wird übermächtig, mir wird übel. Wenn ich jetzt nur nicht bewusstlos werde …! Nein, ich werde nicht bewusstlos, ich setze mich auf die Toilette. Danach 10 Minuten peinliches Schweigen, ich möchte vor Scham tot umfallen. Man riecht es noch ganz deutlich. Nicht einmal Deospray dürfen wir haben! Endlich sagt sie was, sie sagt: "Du, Inge, ich habe es so weit im Griff, dass ich erst nach dem Nachtverschluss (um 21.00 Uhr) zum Klo gehe, aber das musst Du ja auch aushalten." Ich bereite einen Kaffee zu, auf den angebotenen Keks verzichte ich. Nicht viel Essen bedeutet auch, weniger bzw. seltener zur Toilette zu müssen.
Die Würde des Menschen ist sehr wohl antastbar, hier im deutschen Strafvollzug.
Eingesperrt, um zu denken. So kommt es mir oft vor... Meist, wenn ich schlafen will, lassen mich die Gedanken nicht zur Ruhe kommen. Doch das ist nicht die erste Nacht so, und es wird auch nicht die letzte sein. Also stehe ich auf, dreh mir ne Zigarette und setz mich ans Fenster. Es ist schon spät, ein paar Wärter drehen ihre allabendlichen Runden, ein paar Gefangene reden leise, so dass die Wärter sie nicht hören. Ich ziehe an meiner Zigarette, puste den blauen Rauch aus meinen Lungen durch die Gitter und höre wie sie reden...
So verschieden wie die Leute sind, die hier einsitzen, sind auch die Themen, mit denen man versucht, die Zeit totzuschlagen. Oft höre ich, dass einfach nur nach Tabak gefragt wird, und nicht selten dafür ein ganzer Zellenblock wach geklopft wird. Ich höre wie über die „gute alte Zeit“ erzählt wird, von draußen, damals. Es wird sich ausgetauscht über ach so große „Dinger“, die man gedreht haben will, bis der Richter schließlich dem „Business“ einen Riegel vorgeschoben hat. Über Frauen, die Ex und etliche Bettgeschichten, bei denen sich meist alle versuchen zu übertrumpfen. Mit Sicherheit vermischen sich Wahrheit und Wunschvorstellung des Öfteren miteinander, doch das spielt keine allzu große Rolle. Geschäfte werden abgewickelt, es geht um Kaffee, Tabak und Drogen. Dabei wird leiser gesprochen als sonst, und Metaphern benutzt. Leute regen sich gemeinsam auf, ein Grund ist schnell gefunden, da braucht man nicht lange suchen. Fast täglich höre ich die guten Vorsätze für draußen, als wenn Silvester wäre. Von Leuten die nicht das erste Mal sitzen, deren Glaubwürdigkeit untergeht mit jeder ihrer Inhaftierungen. Ich habe aufgeraucht und es ist kalt in dieser Ende-November-Nacht. Ich frage mich, ob ich nicht reingehen sollte, wieder versuchen zu schlafen. Doch ich höre zu gerne den verschiedenen „Träumen“ und Themen meiner Mitgefangenen zu. Sozusagen als „Gutenachtgeschichten“, und um sie mit meinen zu vergleichen...
So höre ich die neusten aufgenommenen Tapes aus den „Kasis“ in die Nacht schallen. Schließlich ist es Wochenende, draußen wären die meisten am Feiern, und so heiligt trotz Nachtruhe der Zweck die Mittel. Man schweift wieder ab in die Vergangenheit, vielleicht weil bis jetzt die Zukunft nur aus Träumen besteht. Teils zusammen geträumt, teils für sich alleine.
wenn ich an dich denke
Angst
frisst Seele
Rufe
bleiben unbeantwortet
verhallen hinter verschlossenen Türen
Türen
welche bald wieder offen stehen
dein Schweigen
verschließt sie wieder
Gänsehaut
was sein wird
Angst
vor dem
was nicht sein
wird
mein Herz
verloren
hinter geschlossenen Türen
kommt dein Brief?
kommt dein Brief nicht -
kommt dein Brief?
Kommt dein Brief nicht -
Tage aneinander gereiht
wie eine Spirale
in deren Mitte die Angst steht
die Angst vor dem Tag
wenn es heißt -
kommt dein Brief nicht
wie ein Gänseblümchen
Blatt für Blatt
Tag für Tag
liebt sie mich?
liebst sie mich nicht -
die Schatten der Erinnerung
verdunkeln triste Tage
nehmen mir das Licht zum Atmen
reduzieren mich
auf
das Wesentliche -
bin ich
Hoffnungen
machen Platz
für neue Sehnsüchte
keine Zeit
geteilte Jahre
Lust und Leid
reduziert
auf einen flüchtigen
Moment
geteilte Jahre
zusammengekratzt
auf einen Rest -
von Schatten
der Erinnerung
das
was du da liest
das
soll wohl ich sein
aber das
was du da
nicht liest
das
soll wohl ich
erst recht sein
und das
was ich dir sagen will
können Buchstaben
wohl versuchen
sechs Schritte vor
sechs Schritte zurück
ein Buchstabe
gleich einem Herzschlag
ein Atemzug
zwischen zwei Worten
so lebe ich
auf diesem Blatt
Papier
Die Zeit der Dunkelheit fängt an,
nur noch Schweigen.
Ich laufe vor Wände,
die keine Türen haben.
Meine Träume,
niemals werden sie wahr.
Ich hasse mein Leben,
denn nichts ändert sich.
Nie wollte ich so werden,
so wenig 'mein ICH'.
So viel Leid und Kummer,
es macht mich ganz klein.
So wollte ich niemals sein.