fehlt!
Ehrenamt
fehlt!
Beratungsstelle
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Wohnprojekt
fehlt!
Brücke
fehlt!
Täter-Opfer-Ausgleich

Texte von Inhaftierten

Wenn Sie sich für Gefangenenliteratur interessieren, empfehlen wir Ihnen unsere Publikation "Bonjour Tristesse"

Mein Trauma - Von Ingrid G.

Geschrieben in der JVA Bielefeld-Brackwede

Die Würde des Menschen ist unan­tastbar, so steht es im deutschen Grund­gesetz, das gilt auch für Straf­gefangene in deutschen Gefäng­nissen.

Kalter Schweiß auf meiner Stirn, krampf­artige Schmerzen wühlen in meinen Därmen. Ich muss zur Toilette! Tausend Gedanken in meinem Kopf, zwei Darmv­erschlüsse, genannt Ileus, habe ich überlebt, ist schon 32 Jahre her. Aber den Schmerz habe ich bis heute nicht ver­gessen. Ver­dammt, ich sollte meinen Darm entleeren! Bei dem Bewegungs­mangel hier im Knast muss ich eigentlich froh sein, dass es halb­wegs funktioniert. Eigent­lich! Aber ich bin mit einer Frau zusammen einge­sperrt, die ich noch gar nicht kenne. Auf ca. acht Quadrat­metern. Nein, die Toilette ist nicht separat, nicht einmal abgetrennt. Und sie steht genau an der Zellen­tür links. Erst kommt das Waschbecken, dann die Toilette. Nicht mal die Schamwand kann ich vor die Zellen­tür schieben - zu wenig Platz! Was passiert, wenn - wie so oft - die Tür aufge­schlossen wird und ein Beamter auf der Schwelle steht? Oh Gott, gar nicht darüber nach­denken. Ich krümme mich vor Schmerz! Das Unver­meidliche, es lässt sich nicht auf­schieben! Um Himmels Willen, was wird die Frau denken? Sie ist gezwungen, meiner Darment­leerung beizu­wohnen, mit allen Konsequenzen. Sie entspricht meiner Bitte, den Fernseher etwas lauter zu drehen. So kann die Geräusch­kulisse etwas gemildert werden. Was aber ist mit der Geruchs­kulisse? Ist einfach nicht zu ver­meiden. Der Schmerz wird über­mächtig, mir wird übel. Wenn ich jetzt nur nicht bewusst­los werde …! Nein, ich werde nicht bewusst­los, ich setze mich auf die Toilette. Danach 10 Minuten pein­liches Schweigen, ich möchte vor Scham tot um­fallen. Man riecht es noch ganz deutlich. Nicht einmal Deospray dürfen wir haben! Endlich sagt sie was, sie sagt: "Du, Inge, ich habe es so weit im Griff, dass ich erst nach dem Nacht­ver­schluss (um 21.00 Uhr) zum Klo gehe, aber das musst Du ja auch aushalten." Ich bereite einen Kaffee zu, auf den ange­botenen Keks verzichte ich. Nicht viel Essen bedeutet auch, weniger bzw. seltener zur Toilette zu müssen.

Die Würde des Menschen ist sehr wohl antastbar, hier im deutschen Straf­vollzug.

Eingesperrt, um zu denken - Von J.-N.B.

Geschrieben in der JVA Herford

Einge­sperrt, um zu denken. So kommt es mir oft vor... Meist, wenn ich schlafen will, lassen mich die Gedanken nicht zur Ruhe kommen. Doch das ist nicht die erste Nacht so, und es wird auch nicht die letzte sein. Also stehe ich auf, dreh mir ne Zigarette und setz mich ans Fenster. Es ist schon spät, ein paar Wärter drehen ihre all­abend­lichen Runden, ein paar Gefangene reden leise, so dass die Wärter sie nicht hören. Ich ziehe an meiner Zigarette, puste den blauen Rauch aus meinen Lungen durch die Gitter und höre wie sie reden...

So verschieden wie die Leute sind, die hier einsitzen, sind auch die Themen, mit denen man versucht, die Zeit totzu­schlagen. Oft höre ich, dass einfach nur nach Tabak gefragt wird, und nicht selten dafür ein ganzer Zellen­block wach geklopft wird. Ich höre wie über die „gute alte Zeit“ erzählt wird, von draußen, damals. Es wird sich ausgetauscht über ach so große „Dinger“, die man gedreht haben will, bis der Richter schließ­lich dem „Business“ einen Riegel vorge­schoben hat. Über Frauen, die Ex und etliche Bett­geschichten, bei denen sich meist alle versuchen zu über­trumpfen. Mit Sicher­heit vermischen sich Wahrheit und Wunsch­vorstellung des Öfteren mit­einander, doch das spielt keine allzu große Rolle. Geschäfte werden abgewickelt, es geht um Kaffee, Tabak und Drogen. Dabei wird leiser gesprochen als sonst, und Metaphern benutzt. Leute regen sich gemeinsam auf, ein Grund ist schnell gefunden, da braucht man nicht lange suchen. Fast täglich höre ich die guten Vor­sätze für draußen, als wenn Sil­vester wäre. Von Leuten die nicht das erste Mal sitzen, deren Glaub­würdig­keit untergeht mit jeder ihrer Inhaftierungen. Ich habe aufge­raucht und es ist kalt in dieser Ende-November-Nacht. Ich frage mich, ob ich nicht reingehen sollte, wieder versuchen zu schlafen. Doch ich höre zu gerne den verschiedenen „Träumen“ und Themen meiner Mitge­fangenen zu. Sozusagen als „Gutenacht­geschichten“, und um sie mit meinen zu vergleichen...

So höre ich die neusten aufgenommenen Tapes aus den „Kasis“ in die Nacht schallen. Schließlich ist es Wochen­ende, draußen wären die meisten am Feiern, und so heiligt trotz Nachtruhe der Zweck die Mittel. Man schweift wieder ab in die Vergangen­heit, vielleicht weil bis jetzt die Zukunft nur aus Träumen besteht. Teils zusammen geträumt, teils für sich alleine.

Gänsehaut - Von Ralf H.

Geschrieben in der JVA Hagen

wenn ich an dich denke
Angst
frisst Seele
Rufe
bleiben unbeantwortet
verhallen hinter verschlos­senen Türen
Türen
welche bald wieder offen stehen
dein Schweigen
verschließt sie wieder
Gänse­haut
was sein wird
Angst
vor dem
was nicht sein
wird
mein Herz
verloren
hinter geschlos­senen Türen

Kommt dein Brief - Von Ralf H.

Geschrieben in der JVA Hagen

kommt dein Brief?
kommt dein Brief nicht -
kommt dein Brief?
Kommt dein Brief nicht -

Tage aneinander gereiht
wie eine Spirale
in deren Mitte die Angst steht
die Angst vor dem Tag
wenn es heißt -
kommt dein Brief nicht

wie ein Gänseblümchen
Blatt für Blatt
Tag für Tag
liebt sie mich?
liebst sie mich nicht -

Schatten der Erinnerung - Von Ralf H.

Geschrieben in der JVA Hagen

die Schatten der Erinnerung
verdunkeln triste Tage
nehmen mir das Licht zum Atmen
reduzieren mich
auf
das Wesentliche -
bin ich
Hoffnungen
machen Platz
für neue Sehnsüchte
keine Zeit
geteilte Jahre
Lust und Leid
reduziert
auf einen flüchtigen
Moment
geteilte Jahre
zusammengekratzt
auf einen Rest -
von Schatten
der Erinnerung

Geschrieben in der JVA Detmold

Was du da liest - Von Ralf H.

das
was du da liest
das
soll wohl ich sein
aber das
was du da
nicht liest
das
soll wohl ich
erst recht sein
und das
was ich dir sagen will
können Buchstaben
wohl versuchen
sechs Schritte vor
sechs Schritte zurück
ein Buchstabe
gleich einem Herzschlag
ein Atemzug
zwischen zwei Worten
so lebe ich
auf diesem Blatt
Papier

Die Zeit der Dunkelheit - Von Andrea S.

Die Zeit der Dunkelheit fängt an,
nur noch Schweigen.

Ich laufe vor Wände,
die keine Türen haben.

Meine Träume,
niemals werden sie wahr.

Ich hasse mein Leben,
denn nichts ändert sich.

Nie wollte ich so werden,
so wenig 'mein ICH'.

So viel Leid und Kummer,
es macht mich ganz klein.

So wollte ich niemals sein.

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